Susanne Gregor – Halbe Leben

Es geht in “Halbe Leben” um zwei gleichaltrige Frauen, deren Lebenssituationen miteinander verflochten sind. Der Beginn ist verstörend: Klara, Mutter der elfjährigen Ada, stürzt auf einer Wanderung ab und stirbt. Die einzige Zeugin ist Paulina, eine Slowakin, die als Pflegerin für Klaras Mutter arbeitet. Der Roman beschreibt die Zeit vor diesem Ereignis.

Klara legt eine steile Karriere in einem Architekturbüro hin; viele Überstunden werden von ihr erwartet. Die Mutterrolle liegt Klara nicht. Ihre Mutter Irene, die nach einem Schlaganfall

pflegebedürftig geworden ist, lebt mit im Haus. Über eine Agentur werden zwei Pflegekräfte aus der Slowakei beauftragt, die Familie in einem jeweils zweiwöchentlichen Turnus mit einer 24-Stunden-Pflege zu unterstützen.

Paulina ist wie Klara 38 Jahre alt. Sie erzieht in der Slowakei ihre beiden Söhne allein, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde. Die Vermittlung nach Österreich in einen Privat-Haushalt verspricht ein deutlich besseres Einkommen – Paulinas Kinder ziehen zur Schwiegermutter.

Pauline ist sehr engagiert, sie übernimmt immer mehr Aufgaben und vernachlässigt damit bald ihre eigenen Kinder. Auch der Neid auf die besser gestellte Klara wächst; es erscheint Paulina so, als würde diese sich alle Wünsche erfüllen können – dabei übersieht sie die Widersprüche im Leben der karriereorientierten Frau. Paulina ist bald am Ende ihrer Kräfte und zieht sich mehr und mehr zurück. Das hat Klara sich anders vorgestellt und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, das schließlich mit Klaras Absturz endet.

Die Autorin hat eine schnörkellose und klare Sprache. Das Buch ist spannend und erzählerisch dicht geschrieben. Themen des Romans sind die Probleme, die mit einer 24-Stunden-Pflege einhergehen sowie die Ausbeutung der Pflegekräfte, aber auch die nicht vorhandene Vereinbarkeit von Karriere im Beruf und Familie.

Das Buch ist im Bestand der Onleihe vorhanden.

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Wolfgang Huber-Lang schreibt in den Salzburger Nachrichten (bitte anklicken): Susanne Gregor bleibt auch in diesem Buch ihrer Linie treu. Sie interessiert sich nicht für künstlich erzeugten Ausnahmezustand, sondern für die Schieflagen des Alltags. Bei denen manchmal einiges ins Rutschen kommt.

Michael Luisier rezensiert das Buch im SRF Kultur (bitte anklicken): Die Stärke in Gregors Roman liegt aber nicht nur in der Beschreibung der Ungereimtheiten und Grauzonen, die mit der 24-Stunden-Pflege verbunden sind. Die tatsächliche Stärke liegt in der Beschreibung des Zwischenmenschlichen: Die beiden Frauen trennen Welten.