Syke. „Das war mal was anderes!“ Die Frühstücksgäste des Delcasy waren mehr als angetan von der Aktion des Fördervereins der Bibliothek Syke. Zu Käseschnittchen und Honigbrötchen gab es diesmal nicht nur Tee oder Kaffee, sondern auch zwei Geschichten. „Entschuldigen Sie, wenn wir stören …“, leitete Ulrich Hoferichter, Vorsitzender des Fördervereins, seinen Vortrag ein und erklärte die Aktion: Lesen an ungewöhnlichen Orten, um Appetit auf Literatur zu machen. Die Gäste entschuldigten gerne und lauschten den beiden Geschichten, die er und Elke Nobis mitgebracht hatten: „Clever reisen“ von Horst Evers und „Der weiße Neger Wumbaba ist wieder da“ von Axel Hacke. Leises Gelächter erklang an den richtigen Stellen, derweil drang aus der Küche Geschirrgeklapper und die Angestellten des Delcasy nahmen weiter Bestellungen auf. Zwischendurch klingelte auch mal das Telefon, doch dem Vergnügen tat das keinen Abbruch. Entspannt lauschten die Gäste und reichten den Vorlesenden auch gern ein Glas Orangensaft gegen den Frosch im Hals. Eine gute Viertelstunde dauert die Aktion, anschließend dreht sich an den Tischen das Gespräch um das zuletzt gelesene Buch und die Lesegewohnheiten der Enkel. Der Appetitanreger hatte seine Wirkung erreicht.
Auch im Literatur-Fachgeschäft Schüttert wurde gelesen, ebenso bei der Bäckerei Garde. Der vierte Teil dieses Experiments fand bei der Bäckerei Meyer statt. Gegenüber des Rewe-Marktes an der Hauptstraße bemühten sich Katharina Wittneben und Tanja Riekenberg um Leser. Fünf ältere Menschen ließen sich nieder, allerdings weniger der Literatur zuliebe. Ein frühstückendes Pärchen ließ sich weder von „Der Vater und sein Töchterlein“ noch von „Die Kunst des Schweigens“ von der Lektüre der Bild-Zeitung abbringen. Die Geschichte unter der Überschrift „Das Salat-Glücksrad“ schien zu wichtig, um davon abzulassen. Eine Gruppe wartender Kinder vor dem gegenüberliegenden Verbrauchermarkt schien da deutlich interessierter.
Apropos Verbrauchermarkt: Bei Rewe wird zurzeit umgebaut. Die ständige Geräuschkulisse und die piependen Kassen machten deutlich: Das an die Bäckerei Meyer angrenzende kleine Café ist als Ort für Lesungen nicht unbedingt geeignet. Das schien der Begeisterung der beiden Damen vom Förderverein keinen Abbruch zu tun. Während sie aus Susanne Feiners Buch „Das Schicksal duscht“ rezitierten, Erich Kästners „Die Entwicklung des Menschen“ vortrugen und den Zuhörern Robert Gernhardt näher brachten, gab sich Knud Heinrichs alle Mühe, weitere Literaturbegeisterte zum Zuhören zu bewegen. Ohne Erfolg: 40 Prozent der Besucher verließen die Lesung vor dem Ende.
Es war eine erfrischende Idee, die der Förderverein zum bundesweiten Vorlesetag konsequent umsetzte. Die Reaktionen vor der Bäckerei reichten von Unverständnis bis zu einem Lächeln. Zum Niederlassen konnten die engagierten Ehrenamtlichen nur wenige Menschen bewegen.
Quelle: Syker Kurier vom 16. November 2019