Die Autorin hat für diesen Roman jahrelang recherchiert und ist nach Kasachstan gereist; sie erzählt den Roman aus den Geschichten, die sie früher von ihrem Vater gehört hat.
In “Sibir” wird Josef Ambacher im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie am Ende des zweiten Weltkriegs aus Galizien in Südpolen im Viehwaggon nach Kasachstan verschleppt. Auf dem Transport verhungert der kleine Bruder; seine Mutter verschwindet in einem Schneesturm. Die Familie erfährt zunächst viel Ablehnung; sie lebt anfangs in einer Erdhütte, darf weder deutsch sprechen noch Kontakte zu anderen deutschstämmigen Personen haben und steht unter ständiger Beobachtung. Josef freundet sich mit Tachawi, einem kasachischen Jungen an, der ihm hilft, sich in der Steppe zu behaupten.
Erst 1955 darf Josefs Familie nach Deutschland ausreisen; sie findet in Niedersachsen eine neue Heimat. In den 1990er Jahren wird Josef mit der Vergangenheit konfrontiert, als Spätaussiedler aus Sibirien nach Deutschland kommen. Die Kinder fertigen sich ihre eigene Welt; sie horten Lebensmittel in vielen Verstecken, geprägt durch die Traumatisierungen ihrer Eltern.
Sabrina Janesch schreibt abwechselnd in zwei Erzählsträngen, die geschickt aufeinander abgestimmt sind. Es ist ein Roman über Bindungen und den Zusammenhalt in der Familie, die Bedeutung von Freundschaft, die Auswirkungen von Traumatisierung und die Frage, wie man mit neu angekommenen Menschen umgehen sollte. Ein sehr fesselnder und starker Roman über ein wichtiges Stück Zeitgeschichte!
Das Buch ist im Bestand der Stadtbibliothek vorhanden; leider ist es (noch) nicht in der Onleihe zu finden. Den Roman gibt es auch als Hörbuch.
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Kerstin Nowak
Im WDR stellt Sabrina Janesch in einem kleinen Film ihren Roman vor und erzählt u.a. über den Entstehungsprozess. Besonders interessant sind historische Filmausschnitte über die Verschleppung Deutscher nach Kasachstan 1945 und über die Rückkehr von Aussiedlern nach Deutschland 1990.
Auf der Internetseite vom NDR Kultur gibt es interessante historische Filme über das Grenzdurchgangslager Friedland. Claudia Ingenhoven schreibt dort über das Buch:
Wir verdanken ihr (der Autorin) einen erschütternden, unbedingt lesenswerten Einblick in ein Leben, über das die meisten Aussiedler geschwiegen haben.
Cornelia Geißler schreibt in der Berliner Zeitung:
Sabrina Janeschs Roman ist ein neues, herausragendes Beispiel, wie man Geschichte erzählen kann.