Laura Cwiertnia – Auf der Straße heißen wir anders

Die Kinder aus der Hochhaussiedlung in Bremen-Nord kennen die Herkunftsorte ihrer Familien genau: Türkei, Russland, Albanien. Nur bei Karla ist etwas anders. Sie weiß zwar, dass die Großmutter in den 60ern als Gastarbeiterin aus Istanbul nach Deutschland kam, und auch, dass die Familie armenische Wurzeln hat, doch gesprochen wird darüber nicht. Als Karlas Großmutter stirbt, taucht der Name einer Frau auf, Lilit, samt einer Adresse in Armenien. Karla gelingt es, ihren Vater zu einer gemeinsamen Reise zu überreden – in eine Heimat, die beide noch nie betreten haben. Eindrücklich und bewegend erzählt Laura Cwertnia davon, wie es sich anfühlt, am Rand einer Gesellschaft zu stehen. Und davon, wie es ist, keine Geschichte zu haben, die man mit anderen teilen kann. (Klappentext)

Die Autorin berichtet aus eigener Erfahrung. Sie hat selbst eine deutsche Mutter und einen armenischen Vater und ist in Bremen geboren. Auch sie hat zusammen mit ihrem Vater, der in Istanbul aufgewachsen ist, eine Reise nach Armenien unternommen. Der Roman ist Laura Cwertinas literarisches Debüt. Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen, die mühelos gewechselt werden. Die Autorin beobachtet sehr fein kleine Situationen, die manchmal nur am Rande zu spielen scheinen, aber immer von Bedeutung sind. Der Name des Buches bezieht sich auf den Völkermord an den Armeniern im damaligen Osmanischen Reich, zu einer Zeit, als Vornamen nicht armenisch, sondern türkisch klingen mussten, um überleben zu können. Ein sehr lesenswertes Buch!

Das Buch ist sowohl im Bestand der Stadtbibliothek vorhanden als auch in der Onleihe.

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Kerstin Nowak

Im NDR-Kulturjournal vom 21.02.2022 erzählt die Autorin viel über ihre eigene Geschichte, aber auch über ihr Buch.

Peter Heilig stellt das Buch im NDR als Buch des Monats Februar vor:

Was an diesem gelungenen Roman so überzeugt, ist der feine, hellsichtige Ton, die genaue Beobachtung der Situationen, die mühelosen Übergänge zwischen den Zeitebenen. Man versteht die Charaktere, sieht sie vor sich, mit ihrer beredten Körpersprache und in ihre tiefen Schweigen.

Joachim Scholl hat Laura Cwiertnia für den Deutschlandfunk Kultur interviewt:

Dass Namen verschwänden, sei ein großer Teil der armenischen Geschichte, so Cwertnia. Es gebe viele Dörfer, die nicht mehr ihren armenischen Namen, sondern einen türkischen trügen. Aber viele Armenier hätten sich eben auf der Straße einen anderen Namen gegeben als Zuhause. “Damit nicht jeder weiß, dass sie Armenier sind.”

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