
In diesem Roman, den man auch als “Kammerspiel” bezeichnen könnte, geht es dem Autor um große Fragen des Lebens – um die menschliche Existenz angesichts einer Katastrophe, um das Ertragen von Einsamkeit und den Überlebenswillen.
Der Fischer Bolivar lebt ein einfaches, unbeschwertes Leben an der Küste Mexikos. Er will gerade zum Fischen hinausfahren, als er vor einem aufkommenden Sturm gewarnt wird. Trotzdem fährt Bolivar entgegen jeder Vernunft los, denn er war an einer strafbaren Handlung beteiligt, für die er nicht geradestehen will.
Er nimmt Hector mit, einen jungen Fischer, dem er die Hälfte des Erlöses für den Fang versprochen hat. Dieser hat große Angst, lässt sich aber auf den Job ein. Als der Sturm über sie hereinbricht, sehen beide, jeder auf seine Art, dem Untergang entgegen. Sie fangen Regenwasser auf, fangen Fische und Vögel mit der Hand. Beide denken über ihr Leben nach; Hector erinnert sich an seine große Liebe Lucretia und Bolivar versteht, dass er sein Kind und seine Partnerin im Stich gelassen hat. Bald ist klar, dass sie keine Chance haben, lebend zurückzukommen, denn sie sind in einem weitab liegenden Fanggebiet, in dem illegal geschmuggelt und Müll verklappt wird, wohin vermutlich niemand zur Rettung kommen wird.
Beim Lesen wurde ich unweigerlich an Hemingway (Der alte Mann und das Meer) erinnert. Wie sich der Sturm schleichend zu einem Orkan entwickelt und es nur noch um das Überleben in der Katastrophe geht, ist faszinierend zu lesen. Manchmal ist es nicht mehr auszumachen, ob die Erinnerungen oder Bilder, die Bolivar vor sich sieht, real sind oder ob sie in Wahnvorstellungen verschwimmen – es ist also keine leichte Lektüre!
Paul Lynch erhielt in Irland und Großbritannien zahlreiche Preise.
Das Buch ist sowohl im Bestand der Stadtbibliothek als auch in der Onleihe vorhanden.
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Rezension im DLF Kultur: “Deutlich wird, dass diese Reise als mehrdeutige Parabel angelegt ist, als Sinnbild des Lebenswegs, als Versuch über die Absurdität unserer Existenz, als Gewissensprüfung und als Meditation über das Gemeinwesen an sich: Wie wichtig – so eine im Hintergrund mitlaufende Frage – sind stabile Beziehungen?”
Andrea Gerk schreibt im NDR Kultur: “Zwei existentiell verschiedene Weisen, die Welt zu betrachten und zu erfahren, treffen in Hector und Bolivar aufeinander, befragen, bekämpfen und befruchten einander. Wie in den Klassikern `Moby Dick´ oder
`Der alte Mann und das Meer´, bietet der eng umgrenzte Schauplatz des Bootes, die unerbittliche Kraft der Natur und die extremen Gefühle, die von der Katastrophe ausgelöst werden, den perfekten Stoff, um die letzten Fragen zu verhandeln. Und auch, wenn man ab einem gewissen Punkt überzeugt ist, dass es keine Rettung mehr geben kann, zieht einen Paul Lynchs betörende, lyrische Erzählweise bis zur letzten Zeile tief hinein in diese unglaubliche Geschichte.”